-
Werner Eicke-Hennig veröffentlichte etwas Neues
vor 2 Wochen (bearbeitet)
Der Irrtum von der atmenden Wand (Teil 8) – Schimmel durch Dämmung?
Während die Energieeinsparung durch Wärmedämmung von dem mittelalterlichen Bild einer „Wandatmung“ behindert wurde, entstand der Wohnungsschimmel nicht „in“, sondern „auf“ der Wand. Genau genommen auf allen Innenoberflächen von im Winter auskühlenden Außenbauteilen oder mit einem anderen Begriff, den „raumseitigen Oberflächen der Außenbauteile“.
Schimmel braucht Feuchtigkeit für sein Wachstum, Schimmelpilzsporen sind immer und überall in der Raumluft vorhanden. Auf nicht oder nur gering gedämmten Bauteilen sinken im Winter die Temperaturen auf weniger als 15 °C ab, in Ecken und Außenkanten sogar unter 10 °C. Kühlt die Raumluft an den kalten Bauteilen ab, z.B. von 20 °C auf 0 °C können pro m³ Luft bis zu 12, 5 Gramm Wasserdampf als Tauwasser aus der Luft ausgeschieden werden. (Grafik 1) Dieses Kondensat auf den kalten Bauteilen und Wärmebrücken muss nicht unbedingt als Wasser in Erscheinung treten, dem genügsamen Schimmel genügt eine relative Luftfeuchte von 80 % auf der Wand oder im Putz für sein Wachstum.
So entstanden die Bilder von Wohnungsschimmel auf ungedämmten Außenwänden, die ich aus Speicherplatzgründen in reichhaltiger Menge dem nächsten Beitrag beifüge. Sie sind allesamt Dokumente dafür, dass das Bild von der „Wandatmung“ seine Grenzen hat und diese Hoffnung schon an der Beseitigung von Kondensat zerschellt. Mit dem Wohnungsschimmel schlägt sich die Menschheit seit Beginn der Sesshaftwerdung vor 12.000 Jahren herum. Der erste Schimmelschaden steht in der Bibel im 3. Buch Moses, 14. Kapitel 32. Vers. Luther übersetzt dort den Schimmel in einem ungedämmten Steinhaus in der Levante als „Grüblein“ im Lehmputz. 1.800 Jahre später zog das Deutsche Ärzteblatt mit dem Satz „Wärmedämmung hilft gegen Wohnungsschimmel“ das Fazit aus einer großangelegten Studie, in der 5500 Hauseigentümer über das Vorkommen von Wohnungsschimmel und den dämmtechnischen Zustand ihrer Gebäude befragt wurden. Mehr muss man eigentlich nicht wissen, um sich ein Urteil bilden zu können.
Die geringen Feuchtemengen, die per Wasserdampfdiffusion das Haus verlassen (Diffusionsstromdichte), entsorgen keinen Tauwasserausfall auf kalten ungedämmten Bauteilen. Prof. Cammerer hat die Tauwassermengen in Abhängigkeit der Innenoberflächentemperatur von Bauteilen schon 1938 gemessen (Prüfstand). Grafik 2 zeigt die Ergebnisse, nicht nur für das Tauwasser, das je nach Luftfeuchte und Oberflächentemperatur bis zu 200 Gramm pro m² und Stunde betragen kann, sondern auch die Verdunstungsmenge. Das gibt einen Begriff davon, wie stark die Trocknung ist, immerhin um 30-50 Gramm pro m² und Stunde ab 10-12,5 °C auf der Innenoberfläche. Bei tieferen Temperaturen herrscht statt Trocknung nur Tauwasserausfall vor, in der Grafik in dunklem Blau gekennzeichnet. Sie zeigt auch das Zusammenspiel von Temperatur und Feuchte bei der Kondensatbildung. Zur Erinnerung: Die „Taupunkttemperatur“.
Gesprächsanstoß für Hauseigentümer: Fragen Sie, warum Schimmel meist im Winter oder in kühlen Übergangszeiten auftritt – so lenken Sie das Thema auf die kalte Oberfläche ungedämmter Bauteile. In der nächsten Folge erklären wir hierzu die Taupunkttemperatur. Die erste anhängende Broschüre zeigt Schimmelfälle aus den 1950er-Jahren, als Fenster und Türen undicht und Wände ungedämmt waren. Damals herrschte viel Luftaustausch durch Einzelöfen. Die zweite Broschüre des Wohnungsbauministeriums (ca. 1958) verdeutlicht mit dem Titel „Wärmeschutz – aber richtig“, dass Wärmebrücken bei Beton-Mauerwerksbauten Kältezonen und somit Schimmel verursachen – nur effektive Dämmung von Betonbauteilen kann das verhindern, so das Ministerium.
Und genau diese zahlreichen Wärmebrücken in unseren Altbauten ab 1945 sind immer noch wirksam.