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Werner Eicke-Hennig veröffentlichte etwas Neues
Der Irrtum von der atmenden Wand (Teil 6) oder der Taupunkt ist kein Wandersmann
Die Normväter hatten irgendwann genug von den Diskussionen über wandernde Taupunkte. Auf den Aachener Bausachverständigentagen betonten sie, dass der Taupunkt kein „geometrischer Ort“ ist und verwiesen darauf, dass die DIN 4108 nur eine „Taupunkttemperatur“ kenne, was auch die Luftfeuchtigkeit einschlösse. Viele konnten Temperatur und Luftfeuchte nicht gedanklich verbinden, daher blieb das Missverständnis um die Taupunktverschiebung weiterhin bestehen.
Tauwasserberechnungen werden unter immer gleichen Randbedingungen von Temperatur und Feuchtigkeit durchgeführt. Daher befindet sich der Bereich des möglichen Tauwasserausfalls in der Regel im äußeren Drittel der Wand, häufig hinter einem Kalkzement-Außenputz mit höherer Diffusionsdichte (μ-Wert 35 = 35-mal dichter als eine gleich dicke Luftschicht). Dies führte zu der Annahme, dass „der Taupunkt“ einen festen Ort habe, der nicht verschoben werden sollte. Allerdings ist es irrelevant, wo die „Taupunkttemperatur“ auftritt; wesentlich ist die Einhaltung der in der DIN 4108-3 genannten Anforderungen an Tauwasser- und Verdunstungsmengen (siehe Artikel im Anhang).
Berechnet man dasselbe Bauteil in einer Variante mit Wärmedämmung, verändert sich die Lage der Taupunkttemperatur: bei einer Innendämmung nach innen, bei einer Außendämmung nach außen. Gleichzeitig verändert sich die berechnete Tauwassermenge und geht ab einer bestimmten Dämmdicke auf null zurück. Denn Dämm- und diffusionshemmende Maßnahmen verändern im Berechnungsgang den Temperaturverlauf und die Menge des in der Wand diffundierenden Wasserdampfs, deshalb wird für die Diffusionsberechnung der μ-Wert gebraucht, der Wasserdampfdiffusionswiderstand der Baustoffe.
Im anhängenden Artikel und der ebenso anhängenden ppt-Animation werden anhand von Beispielen mit unterschiedlichen Innenluftfeuchten gezeigt, dass sich der Bereich des rechnerischen Tauwasserausfalls in der Wand erweitern oder die berechnete Tauwassermenge bei einer relativen Innenluftfeuchte von unter 30 % auf null zurückgehen kann. Eine solche Luftfeuchte ist in Wohnungen im Winter häufig anzutreffen, da die Luft in den Räumen unter winterlichen Klimabedingungen eher trocken ist.
Mein anhängender Artikel enthält viele Beispiele von Wasserdampfdiffusionsberechnungen unterschiedlicher Wände mit und ohne Wärmedämmung. Sie wurden damals noch mit den alten Randbedingungen der DIN 4108, also -10 °C statt heute -5 °C Außentemperatur gerechnet. Das ändert nichts an der Aussage, deshalb habe ich es so gelassen. Beim Anklicken der PowerPoint Animation verändern sich Außentemperaturen und Luftfeuchten und entsprechend auch die Taupunkttemperaturen. Entscheidend ist nicht der Bereich, der vom rechnerischen Tauwasser betroffen ist, sondern dass die Tauwasser- und Verdunstungsmenge unter den Höchstwerten der DIN 4108 bleibt. Dann findet im Bauteil auch in der Praxis keine Auffeuchtung statt.
Von einer „rechnerischen“ Tauwasser- oder Verdunstungsmenge zu sprechen, macht klar, diese sind nicht die Realität im Bauteil, sondern dienen nur dem Nachweis der Einhaltung der DIN-Höchstwerte. Mein anhängender Artikel enthält Beispiele von Innendämmungen an real gebauten historischen Konstruktionen. Hier entstehen stets viel zu große rechnerische Tauwassermengen, gleichwohl wurden diese Konstruktionen seit 1925 ausgeführt und befinden sich noch heute schadensfrei in den Wänden. Ein weiterer Hinweis darauf, das DIN-Berechnungsverfahren nach Glaser (Periodenbilanz) ist ein Nachweisverfahren und hat seine Grenzen.
Fazit: Die Taupunkttemperatur hat keinen festen geometrischen Ort. Der mögliche Bereich des Tauwasserausfalls in einer Konstruktion verlagert sich ständig, da Außen- und Innentemperaturen, sowie Außen- und Innenluftfeuchte ständig variieren. Wärmedämmung auf Bauteilen verschiebt keinen Taupunkt, sondern sorgt in der Regel für Tauwasserfreiheit und senkt zudem die Gefahr von Wohnungsschimmel durch im Winter innen wärmere Wände. „Warme Wände schwitzen nicht“, textete die Stiftung Warentest schon vor 30 Jahren.
Im nächsten Beitrag betrachten wir die Orte, an dem sich reales Tauwasser bildet und an denen in vielen deutschen Altbauwohnungen nach wie vor der Schimmel wächst: Auf und nicht im Bauteil.