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Werner Eicke-Henning veröffentlichte etwas Neues
„Atmung“ vs. Sorption – Unbekannte Kräfte bei der Raumentfeuchtung
Während von der Wasserdampfdiffusion (= Atmung im Volksmund) ein großer Entfeuchtungsbeitrag für Häuser erwartet wird, ist der Feuchteausgleich der Raumluft durch „Sorption“ den Hauseigentümern und Mietern weitgehend unbekannt.
Wie Baustoffe Feuchtigkeit speichern und regulieren
Alle mineralischen und organischen (= kunststoffbasierten) Baustoffe haben die Fähigkeit, Wassermoleküle an sich zu binden (absorbieren), diese Anhaftung betrifft nicht nur die Oberfläche, sie geht auch bis in die ersten Millimeter der überaus zahlreichen Baustoffporen. Die Porosität von Baustoffen beträgt bis über 50 % des Volumens. Die Sorption ist keine „Wanderung“, sondern alle Baustoffporen sind luftgefüllt (Luftdruck auf der Erde 101.300 Pascal) und Wasser ist als Dampf Bestandteil dieser Luft, also nehmen Baustoffe umso höhere Feuchtegrade an, je höher die Raumluftfeuchte ist.Oberflächenwirkung: Warum Möbel und Textilien Feuchtigkeit aufnehmen
Es ist auch verständlich, dass sich diese Auffeuchtung auf die ersten Millimeter der raumseitigen Baustoffschichten und auch Möbel, Teppiche und Gardinen, Kleiderschrankinhalte usw. erstreckt, da sie keinen Antrieb hat und sich die Feuchtefracht der Luft auf dieser kurzen Strecke bereits reduziert – so zeigen es Messungen, in Promotionsarbeiten und Studien niedergelegt.Überraschend hohe Speicherkapazität: Sorption im Alltag nachgewiesen
Wir reden über innere Oberflächen der Materialien eines EFH von Quadratkilometern. So ist es zu erklären, was die erste Grafik für ein Zimmer von 12 m² Wohnfläche und einer eher kleinen Feuchtefreisetzung durch Personen, Blumen und Putzen usw. von 200 g pro Stunde zeigt (50 g/Person und Stunde): Mit 901 Gramm/h Sorptionsmenge kann mehr als das 4-fache der Freisetzungsmenge pro Stunde in Wand- und Deckenputz, Teppichen (Naturfaser) und Vorhängen gespeichert werden. So erklärt sich, dass bei Raumnutzung der Anstieg der relativen Luftfeuchte nie abrupt beginnt, sondern sehr langsam vor sich geht. Vor allem aber, das 4-fache der im Haus freigesetzten Feuchte wird durch Sorption in die Bau- und Einrichtungsstoffe eingelagert. Diese Menge nimmt mit zunehmender Sättigung natürlich über die Zeit ab, aber auch die Raumnutzung ist ja nicht unendlich. Die Sorption begrenzt also Feuchtespitzen im Raum, sorgt für eine ausgeglichene Raumluftfeuchte. Das ist jedoch für die Gesundheit nicht erheblich, also keine physiologische Anforderung unseres Körpers, der kommt in Finnland bei 30 % rel. Raumluftfeuchte klar und hält auch die asiatischen Außenluftfeuchten von 80 bis 90 % rel. Luftfeuchte aus.Zurück zur Sorption: Die Feuchtigkeit sitzt raumseitig einige Millimeter in den Materialien und trocknet deshalb nach innen in die Räume ab, wenn die Raumluftfeuchte wieder absinkt oder gelüftet wird. Für jeden Raum gibt es den Tag/Nachtrhythmus und zeitliche Schwankungen im Tagesverlauf. Sorption ist ein lebendiger Vorgang mit sich ständig verändernden Mengen der relativen Luftfeuchte und der Putz-/Tapeten-/ Teppich- oder Linoleumfeuchten in einem Haus. Ihre Eigenschaft zeigte ein Versuch von Dr. Künzel in den 70er Jahren. In einem verputzten Raum wurde eine definierte Menge Wasser verkocht, dann wurde derselbe Raum gänzlich innen mit Ölfarbe gestrichen und wieder dieselbe Menge Wasser verkocht. Das Ergebnis zeigt das 3. Bild. Die relativen Luftfeuchte schnellt bis auf knapp unter 100 % hoch, wenn die Sorption in die Putze durch Ölfarbanstrich unterbunden wurde. Sorption ist ein Feuchtespeichervorgang mit ausgleichender Wirkung.
Wir wollen heute nur noch wissen: Wie berechnet man die Absorptionsmengen? Ganz einfach. Die Hauptarbeit machten Dr. Künzel am Fraunhofer-Institut für Bauphysik und später Dr. Otto (Uni Kassel), in dem sie das Sorptionsverhalten von Baumaterialien maßen. Diese Sorptions- oder Wasserdampfabsorptionswerte sind also Messwerte, keine Schätzungen oder Meinungen. Für die Rechnung wird die der Raumluft zugewandte Bauteilfläche ermittelt und mit dem jeweiligen Absorptionswert des Baustoffes -meist ein Putz- in g/m² und Stunde multipliziert werden. 10 m² Gipsputz * 14 g/(m²*h) ergeben 140 Gramm/h und m². (Der Exponent „hoch 0,5“ heißt Wurzel aus der Zeit und glättet den hyperbolischen Verlauf der Wasserdampfaufnahme zu linearen also leichter rechenbaren Werten). Bild 2 gibt solche Werte aus den beiden Studien wieder. Wer an den Veröffentlichungen Interesse hat, bitte melden, ich stelle die Veröffentlichungen dann hier ein.
Streng genommen wird es für die Atmung der Wände (Dächer, Glasscheiben, Kellerdecken) eng, es bleibt kaum etwas übrig von der freigesetzten Feuchte, oder? Im nächsten Beitrag lernen wir kennen, dass die Wasserdampfdiffusion mit der Feuchteabfuhr hoffnungslos überfordert wäre, weshalb die abtrocknende Sorptionsfeuchte nicht auf eine wasserhungrige Wand trifft, sondern im Winter aktiv gelüftet werden muss.
Über die Größe des Diffusionsstroms im Winter von innen nach außen berichte ich in meinem nächsten Beitrag nächste Woche. So viel sei schon gesagt:
Diffusion ist der langsamste und kleinste Entfeuchtungsmechanismus, den es in der Natur gibt. In Schimmel lebt der, der von ihr die Raumlüftung erwartet.
Hier der Kurzabsatz für Schnellleser:
Sorption hilft effektiv, Räume zu entfeuchten, bleibt aber weitgehend unbekannt. Baumaterialien, Möbel und Textilien können durch ihre Poren große Mengen Feuchtigkeit aus der Raumluft aufnehmen und wieder abgeben, was Feuchtespitzen reduziert und für ausgeglichene Luftfeuchtigkeit sorgt. Dieser natürliche Speicherprozess ist bedeutender als die Wasserdampfdiffusion („Atmung der Wände“), die kaum zur Entfeuchtung beiträgt. Sorption verhindert somit Feuchteprobleme und wirkt Schimmelbildung entgegen. Sie kann präzise berechnet und gezielt genutzt werden, allerdings ersetzt sie nicht das regelmäßige Lüften im Winter..